Gütesiegel-Dschungel in der Nahrungsmittelindustrie - Wie mehr Transparenz zu mehr Tierwohl führt

Die Kennzeichnung von Tierwohl auf Lebensmitteln ist ein viel diskutiertes Thema auf nationaler und internationaler Ebene. Konsument*innen wünschen sich mehr Informationen zu Tierwohl und Haltungsformen, sind mit der Vielzahl an Gütesiegeln, Marken, und Begrifflichkeiten aber schnell überfordert. Durch Transparenz und Vergleichbarkeit wird den Konsument*innen diese Überforderung genommen und eine bewusste Kaufentscheidung ermöglicht. Gleichzeitig werden sie dadurch zum Kauf tierwohlfreundlicher Produkte genudged.(=Nudging ist ein Instrument zur Beeinflussung des Verhaltens, indem die Entscheidungsarchitektur verändert und das Verhalten in eine bestimmte Richtung gelenkt wird.)

 
Als Studentin im Master Studiengang „Digital Marketing und Kommunikation“ der Fachhochschule St. Pölten hat Chiara Brammer in Kooperation mit MindTake folgende Forschungsfragen im Rahmen ihrer Onlinebefragung repräsentativ für die österreichische Bevölkerung erhoben: 
  • Welche Auswirkungen haben Green Nudges, in Form einer Tierwohlskala, auf die Kaufabsicht der österreichischen Konsument*innen von 20-49 Jahren?
  • Wie wirkt sich der Absender und die optische Gestaltung einer Tierwohlkennzeichnung auf die Einstellung und die Kaufabsicht der österreichischen Konsument*innen von 20-49 Jahren aus?
 
Ziel der Masterarbeit war es, eine realitätsnahe Lösung zu entwickeln, wie man österreichische Konsument*innen dazu bewegen kann tierwohlfreundliche Produkte zu kaufen und damit eine Diskussionsgrundlage für die Politik, die Landwirtschaft und den Handel zu legen. Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurde zunächst eine qualitative Vorstudie, in Form von Expert*inneninterviews mit Stakeholdern aus Politik, Handel, Landwirtschaft und Gütesiegel, durchgeführt. Auf deren Basis wurde schließlich die nachfolgende Tierwohlskala entwickelt. 
  tierwohlskala
Im Anschluss wurde die Skala im Zuge der Onlinebefragung mit MindTake bei den Konsument*innen als Stimulusmaterial herangezogen, um die Hypothesen zu überprüfen und die obigen Forschungsfragen zu beantworten. 
 
Die Ergebnisse zeigen, dass Green Nudges, in Form einer Tierwohlskala, signifikante Auswirkungen auf die Kaufabsicht österreichischer Konsument*innen von 20-49 Jahren besitzen, indem sie auf die Produktwahl und die maximalen Aufpreise einwirken (Kruskal-Wallis-Test: p<0,001). Die Mittelwerte in der Kaufabsicht liegen bei 2,3 (Stufe D), 3,0 (Stufe C), 4,7 (Stufe B) und 6,0 (Stufe A)**. Die Stärke der Auswirkung hängt vom Bewusstsein im aktuellen Einkaufsverhalten ab. Je höher das aktuelle Bewusstsein ist, desto höher ist die Wirkung durch die Tierwohlskala (Korrelation nach Spearman: p=0,022, r=0,163).
 
**7-stufige Likert Skala von 1 (sehr niedrige Kaufabsicht) bis 7 (sehr hohe Kaufabsicht):
 
 
 
 tierwohlskala
Zur Identifizierung des optimalen Absenders der Skala wurden, abgeleitet von den Ergebnissen der Expert*inneninterviews, die AMA und ein österreichisches Bundesministerium gegenübergestellt. Die Wahl der Absender weist jedoch keinen signifikanten Unterschied in der Einstellung der Befragten  gegenüber der Skala auf (Wilcoxon-Test: p=0,796). Dennoch zeigt sich, dass ein österreichisches Bundesministerium in fast allen Punkten leicht besser bewertet wird als die AMA.  Zudem zeigt sich, dass die optische Gestaltung der Tierwohlkennzeichnung einen signifikanten Unterschied in der Kaufabsicht aufweist (Wilcoxon-Test: p<0,001).  Die Tierwohlskala mit den Stufen A und B führt demnach zu einer höheren Kaufabsicht als ein klassisches Gütesiegel, das für hohes Tierwohl steht. 
 
  
 
Zur Beantwortung der Forschungsfragen kann festgehalten werden, dass es sich bei der erstellten Tierwohlskala um ein realitätsnahes Modell handelt, welches den Konsument*innen mehr Transparenz und Vergleichbarkeit beim Lebensmitteleinkauf liefert. Dadurch wird es möglich die Kaufabsicht der Konsument*innenzu beeinflussen und ihre Einstellung mit ihrem Handeln in Einklang zu bringen.